Digitaler Beitritt: Neue Möglichkeiten und Software-Tools
Mitgliedsanträge und Beitrittserklärungen digital und rechtssicher abwickeln
14.11.2024 – Zukünftig reicht für viele genossenschaftliche Abläufe die Textform aus, wodurch endlich vollständig digitale Prozesse möglich werden. Mathias Fiedler vom Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften erläuterte im Community-Call, was dabei rechtlich zu beachten ist. Nico Storz von der Bürgerwerke eG und Timo Starke von der krawall & wunder GmbH präsentierten die gemeinsame digitale Lösung der Bürgerenergie-Genossenschaften. Und Renaldo Scola von LAVLI stellte das Mitgliederverwaltungs-Tool CoopX und die Vorzüge von dessen Lizenzmodell vor.
So lässt sich der digitale Beitritt in der Praxis umsetzen
In diesem Video erhältst du Einsicht in zwei verschiedene technische Lösungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen für den digitalen Beitritt.
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Digitalen Aufnahmeprozess rechtssicher gestalten
Ab dem 01.01.2025 ist es Genossenschaften möglich, neben der Schriftform auch die Textform für folgende Prozesse zu akzeptieren:
- Gründung
- Mitgliedsantrag
- Zeichnung weiterer Anteile
- Kündigung
- Übertragung von Geschäftsguthaben
- Vollmacht für Mitgliedsanträge
- Vollmacht für Zeichnung weiterer Anteile
- Vollmacht für die Generalversammlung
Zudem können Genossenschaften ab diesem Zeitpunkt die elektronische Abstimmung in Präsenzversammlungen zulassen.
Grundsätzlich müssen diese Alternativen zu den herkömmlichen Abläufen durch eine Satzungsregelung verankert werden.
==Bis einschließlich 2029 darf diese Änderung aber auch durch einen Beschluss des Vorstands mit Zustimmung des Aufsichtsrats umgesetzt werden.==
Gibt es keinen Aufsichtsrat, erfolgt die Zustimmung durch den/die Bevollmächtigte:n der Generalversammlung.
Rechtliche Anforderungen an die Textform
Die Textform ist nach § 126b BGB wie folgt definiert:
Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das
es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und
geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.
Genossenschaften müssen daher sicherstellen, dass die in Textform akzeptierten Dokumente ==während der gesamten Dauer einer Mitgliedschaft unverändert abrufbar== sind.
Neben einer eingescannten Kopie kommen damit folgende Formate infrage:
- ☑️ E-Mail (jedoch nicht zu empfehlen, da nicht standardisierbar)
- ✅ ausgefülltes PDF-Formular (darf nicht mehr veränderbar sein)
- ✅ unveränderbares Dokument, das aus einem Online-Formular erstellt wurde
❌ Nicht ausreichend sind der Verwendungszweck einer Banküberweisung oder mündliche bzw. telefonische Erklärungen (auch bei Vollmacht).Your text here
Digitaler Mitgliedsantrag: Information, Erklärung, Abgabe
Für Mitgliedsanträge und Beteiligungserklärungen ist die ==Einhaltung des Ablaufs Information > Erklärung > Abgabe== zwingend notwendig.
1️⃣ Information (des Mitglieds durch die Genossenschaft):
- Vor Abgabe des Mitgliedsantrags muss dem zukünftigen Mitglied die Satzung zur Verfügung gestellt werden.
- Es muss auf eventuell vorhandene weitere Zahlungspflichten (etwa ein Eintrittsgeld) und Kündigungsfristen von mehr als einem Jahr hingewiesen werden. Dieser Hinweis muss zudem ==optisch hervorgehoben== werden.
- Die Datenschutzerklärung sollte beigefügt werden.
2️⃣ Erklärung (des Mitglieds gegenüber der Genossenschaft):
-
Folgende personenbezogene Daten des Mitglieds sind abzufragen:
- Vollständiger Name
- Anschrift
- E-Mail-Adresse (optional, aber sinnvoll)
- Steuer-ID (wichtig bei Gewinnausschüttungen)
- Anzahl der zu zeichnenden Anteile
-
Wichtigster Bestandteil ist die folgende Erklärung:
"Ich beantrage hiermit die Aufnahme in die Genossenschaften. Ich verpflichte mich, die nach Satzung und Gesetz vorgesehenen Zahlungen zu leisten."
-
Wenn die Nachschusspflicht für Mitglieder in der Satzung nicht augeschlossen wird, ist zudem folgende Erklärung notwendig:
"Ich verpflichte mich, die zur Befriedigung der Gläubiger erforderlichen Nachschüsse [bis zu der in der Satzung bestimmten Haftsumme / unbeschränkt] zu leisten."
3️⃣ Abgabe (des Mitgliedsantrags und der Beteiligungserklärung):
- Die Beantragung der Mitgliedschaft darf nicht an Bedingungen geknüpft sein.
- Es bietet sich an, dem Mitglied eine Kopie des Antrags zukommen zu lassen.
- Die Genossenschaft sollte den Antrag in einem geeigneten Dateiformat (z. B. PDF) zukunftssicher speichern.
Nach Aufnahme in die Genossenschaft muss das Mitglied darüber informiert werden, idealerweise mit Angabe der Mitgliedsnummer und einer Zahlungsaufforderung für die gezeichneten Anteile, falls diese Zahlung nicht bereits im Voraus erfolgt ist.
Auch eine Ablehnung muss kommuniziert werden. Zur Wahrung der Datensparsamkeit löscht die Genossenschaft in diesem Fall alle Unterlagen.
Online-Formular für Mitgliedsanträge bei der Bürgerwerke eG
Als Dachgenossenschaft deutscher Bürgerenergie-Kooperativen suchte die Bürgerwerke eG nach einer Möglichkeit, einen digitalen Beitrittsprozess zu etablieren, den alle Mitgliedsgenossenschaften gemeinsam nutzen konnten.
Die krawall & wunder GmbH entwickelte daraufhin ein Online-Formular, in dem sich über die Postleitzahl die am nächsten gelegene Bürgerenergie-Genossenschaft ermitteln lässt. Über einen Link kann auch eine bestimmte Genossenschaft vorausgewählt werden.
Auf drei Seiten werden anschließend alle für den Beitritt notwendigen Daten abgefragt:
Erste Seite:
- Art der Mitgliedschaft (Privatperson, Organisation oder geschenkte Mitgliedschaft)
- Anzahl der zu zeichnenden Anteile
- Hinweis auf die Kündigungsfrist
Zweite Seite:
- Persönliche Daten
- Bankverbindung und Steuer-ID
- E-Mail (obligatorisch) und Telefonnummer (optional)
- Bestätigung der Beitrittserklärung und Zahlungsverpflichtung (als Umschaltknopf implementiert)
Letzte Seite:
- Umschaltknöpfe für:
- Bestätigung der Kenntnisnahme der Satzung
- Bestätigung der Kenntnisnahme der Datenschutzerklärung
- Zustimmung zur Verarbeitung der eigenen personenbezogenen Daten
- Einwilligung in Erhalt des Bürgerwerke-Newsletters (optional)
- Erläuterung des weiteren Ablaufs
- Kontaktmöglichkeit bei Rückfragen
- Drop-down-Menü "Wie sind Sie auf uns aufmerksam geworden?"
- Finale Bestätigungs-Schaltfläche "Mitgliedschaft zahlungspflichtig beantragen"
Nach Absenden des Antrags wird eine Verifizierungs-Mail an die angegebene E-Mail-Adresse versendet. Abschließend wird die erfolgreiche Übermittlung des Mitgliedsantrags in einer E-Mail bestätigt, die zudem die Bankverbindung für die Zahlung der gezeichneten Anteile inklusive QR-Code für die digitale Überweisung enthält.
Die Bürgerenergie-Genossenschaft erhält eine CSV-Datei mit allen Mitgliedsdaten, die in die Bürgerwerke-Nextcloud hochgeladen wird. Einmal täglich erhält jede Genossenschaft zudem eine Zusammenfassung der neuen Mitgliedsanträge mit reduziertem Datensatz. Die CSV-Dateien lassen sich problemlos in andere Mitgliederverwaltungs-Tools importieren.
CoopX: Quelloffene Mitglieder-Software von und für Genossenschaften
Ähnlich wie die Bürgerenergie-Kooperativen suchten auch die LAVLI-Genossenschaften nach einer Lösung zur Digitalisierung der Mitgliederverwaltung. Jedoch ließ der Funktionsumfang und die Preisgestaltung existierender Tools zu wünsche übrig. LAVLI setzte daher auf die Entwicklung einer In-House-Lösung, die auf den Namen CoopX hört.
CoopX zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus:
- Beliebig viele Genossenschaften können sich eine Anwendungsumgebung teilen
- Das System kennt verschiedene Benutzerrollen wie Mitglied, Admin und Prüfer:in
- Das Tool kann als Software-as-a-Service angemietet oder kostenlos auf dem eigenen Server betrieben werden. Der Code wird voraussichtlich ab dem 1. Quartal 2025 als Open Source veröffentlicht.
Die Benutzerrollen in CoopX sind flexibel gestaltet. So kann eine Person etwa gleichzeitig Mitglied einer Genossenschaft und Admin einer anderen sein. Zudem gibt es die Benutzerrolle "Prüfer:in", über die man Einsicht in die Daten der zugewiesenen Genossenschaften erhält.
Wer sich für CoopX als Software-as-a-Service entscheidet, spart sich den technischen Wartungsaufwand und kann ohne aufwendige Konfiguration jederzeit mit der Nutzung beginnen. Mehr als ein aktueller Web-Browser ist für den Betrieb nicht notwendig.
Jedoch ist die Funktionalität der Web-App für alle Nutzenden gleich. Für Genossenschaften, die spezielle Anpassungen benötigen, eignet sich daher eher der Betrieb in einer eigenen Anwendungsumgebung. Hier lohnt sich im Voraus ein Blick in die CoopX-Dokumentation.