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"Homo cooperativus" – Der kooperative Mensch im Mittelpunkt der Wirtschaft

Adam Smith als Vertreter des genossenschaftlichen Gedankens




05.09.2024 – Welche Rolle spielt Ethik im wirtschaftlichen Handeln? Und wie definiert sich im Hinblick darauf wirtschaftlicher Erfolg? Dr. Viktoria Schäfer, Leiterin von ADG Research, dem Forschungsinstituts der Akademie Deutscher Genossenschaften, gab uns einen Einblick darin, wie sie diesen Fragestellungen im Rahmen ihrer Promotion auf den Grund ging. Dabei erkannte sie, dass einer der wichtigsten Wirtschaftsphilosophen dem genossenschaftlichen Konzept näher stand als gemeinhin angenommen.




Der kooperative Mensch im Mittelpunkt der Wirtschaft


»Genossenschaften verbinden Menschen und ermöglichen langfristigen, verantwortungsvollen wirtschaftlichen Erfolg.«

Ein Exkurs zum wissenschaftlichen Fundament der Genossenschaftsidee. Ist der Mensch von Natur aus egoistisch oder kooperativ?


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Eigeninteresse ist nicht alles: Adam Smith und die Empathie

Nach der Weltfinanzkrise, die 2007 und 2008 verheerenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden anrichtete, wurde zunehmend die Rolle großer Banken infrage gestellt. Nicht nur hatten diese geschäftlich versagt, ihnen wurde auch unmoralisches Handeln vorgeworfen.

Vergleichsweise unbeschadet kamen hingegen die Genossenschaftsbanken und deren Mitglieder durch die Krise. Lag dies womöglich an der besonderen Rechtsform mit ihrem gesetzlich verankerten Förderzweck? Nehmen die gesellschaftlichen Auswirkungen von wirtschaftlichem Handeln im genossenschaftlichen Modell eine größere Rolle ein als bei herkömmlichen Unternehmensformen?

Dieser Frage ging Viktoria Schäfer in ihrer Doktorarbeit an der Akademie Deutscher Genossenschaften nach. Ein zentraler Aspekt war dabei der Zusammenhang zwischen moralischem Handeln und wirtschaftlichem Erfolg. Greift Milton Friedmans These, dass sich die soziale Verantwortung von Unternehmen auf das Erzielen von Gewinnen beschränken sollte, doch zu kurz?

Eine mögliche Antwort auf diese Frage findet sich in den Schriften von Adam Smith, einem der Urväter der modernen Ökonomik. Das heute gängige Bild des "Homo oeconomicus", der rational und nutzenmaximierende Mensch, wird häufig mit einem Verweis auf dessen Werk "Der Wohlstand der Nationen" (Originaltitel: "An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations") gerechtfertigt. Darin benennt er unter anderem das Streben nach persönlichem Wohlstand als Fortschrittstreiber und Quelle gesellschaftlichen Nutzens.

Adam Smith differenziert jedoch zwischen den Eigeninteressen verschiedener Bevölkerungsgruppen und deren Kongruenz mit dem Gemeinwohl. Er betont zudem, dass Empathie und Moral dem eigennützigen Handeln Grenzen setzen. In seinem sieben Jahre zuvor erschienenen Werk "Theorie der ethischen Gefühle" (Originaltitel: "The Theory of Moral Sentiments") hatte Smith seine Ansichten zur Rolle des Mitgefühls im menschlichen Miteinander bereits ausführlich dargelegt.




Die Rolle des "Homo cooperativus" in der Wirtschaft

Wer die Existenz des "Homo oeconomicus" mit den Theorien von Adam Smith begründet, verkennt also die Komplexität der von ihm verfassten philosophischen und wirtschaftstheoretischen Werke. Tatsächlich findet sich im genossenschaftlichen Modell eine größere Deckungsgleichheit mit seinen Ansätzen als bei anderen Unternehmensformen.

Das genossenschaftliche Prinzip der Selbsthilfe versteht den Mensch als sozial eingebettetes Individuum und organisiert die wirtschaftliche Fürsorge in konzentrischen Kreisen. Unternehmensgewinne sind Mittel zum Zweck zur Förderung der sozialen Interessen der Genossenschaftsmitglieder – der Erfolg misst sich an der Verbesserung ihrer Lebensumstände.

Das dadurch entstehende Zugehörigkeitsgefühl führt zum solidarischen Miteinander unter den Mitgliedern, die ihr Handeln primär an ihrem sozialisierten Gewissen statt an Regeln und Vorschriften ausrichten. Das Subsidiaritätsprinzip sorgt dafür, dass die übergeordneten Strukturen einer Genossenschaft stets im Dienst der untergeordneten Strukturen stehen. Den Mitgliedern kommt dabei eine Doppelrolle zu, da sie zur gleichen Zeit Kund:innen und Eigentümer:innen des Unternehmens sind und in ihrer Entscheidungsfindung beide Blickwinkel einfließen lassen müssen.

So erkennt das genossenschaftliche Wirtschaftsverständnis den Markt als soziales Gebilde an, der keinen eisernen Gesetzen unterliegt, sondern von den Menschen gestaltet wird. Menschliche Tugenden und gleichberechtigte Kooperation bilden dabei die Grundlage für eine funktionierende Wirtschaft – mit dem "Homo cooperativus" im Mittelpunkt.





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