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Handwerks­betriebe genossen­schaftlich weiterführen

Fallbeispiele Bäckerei und Kfz-Werkstatt: So bewältigen Kund:innen und Mitarbeitende gemeinsam die Nachfolge für kleine Unternehmen




28.02.2024 – Zahlreichen deutschen Unternehmen droht in den nächsten Jahren das Aus aufgrund fehlender Nachfolgemöglichkeiten. Genossenschaften können hier Abhilfe schaffen und eine Betriebsübernahme durch die eigenen Kund:innen oder Mitarbeitenden ermöglichen.

Hilmar Ullrich von der Dorfgenossenschaft Wombach eG berichtete uns davon, wie eine kleine Ortschaft in Unterfranken ihre Traditionsbäckerei rettete.

Sophia Krebber und Laura Jungnickel von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) präsentierten uns die Ergebnisse ihrer wissenschaftlich begleiteten Zusammenarbeit mit einer Kfz-Werkstatt in Brandenburg, die eine mitarbeitergeführte Genossenschaft als Mitgesellschafterin erhalten soll.




Hilmar Ullrich


»Genossenschaften als Organisationsformen, die agil flexibel das Kreativpotenzial vieler Köpfe für einen gemeinsamen Zweck zu nutzen verstehen.«


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Handwerklich hergestelltes Brot aus der Genossenschaftsbäckerei

Die Dorfbäckerei Endres im 2000-Seelen-Ort Wombach in Unterfranken blickte auf eine fast 100-jährige Geschichte zurück, als deutlich wurde, dass sich für den Handwerksbetrieb keine Nachfolge finden würde. Zwar zeigte eine Bäckereikette Interesse daran, den Standort in eine ihrer Filialen umzuwandeln, doch den Wombacher:innen war klar, dass die Einzigartigkeit ihrer Dorfbäckerei so verlorengehen würde.

So entstand in den Köpfen einer Handvoll engagierter Bürger – aus denen schnell einige hundert werden sollten – die Idee der Gründung einer Dorfgenossenschaft zur Rettung des Bäckereibetriebs. Nach dem erfolgreichen Einwerben des notwendigen Geschäftsguthabens gründete sich am 8. Mai 2022 die Dorfgenossenschaft Wombach eG mit 248 Mitgliedern. Heute sind es fast 700.

Während das Gebäude selbst in Familienbesitz blieb, übernahm die Genossenschaft das komplette Inventar der Backstube und des Ladengeschäfts sowie die 5 Mitarbeitenden. Zusätzlich wurde ein Bäckermeister eingestellt, der auch als Betriebsleiter fungiert. Das Wombicher Beck war geboren.

Hier übernimmt der Vorstand die administrativen Aufgaben und hält dem Bäckerei-Team so den Rücken frei. Das wirtschaftliche Risiko wird dabei dank der zahlreichen Genossenschaftsmitglieder auf viele Schultern verteilt. Im Gegenzug erhalten die Mitglieder eine Rückvergütung, deren Höhe über ein Punktesystem ermittelt wird.

Die Übernahme der Dorfbäckerei erzeugte ein großes Medieninteresse und wurde mehrfach ausgezeichnet. Trotzdem bleibt die wichtigste Voraussetzung für den langfristigen Erfolg des genossenschaftlich geführten Betriebs, dass die Wombacher:innen ihm auch weiterhin treu bleiben. Die Zeichen dafür stehen gut.




Laura Jungnickel und Sophia Krebber


»Die Bereitschaft sich selbst zu reflektieren, Vertrauen im Team und eine offene Kommunikation sind die Grundlagen für neue Formen von Zusammenarbeit.«


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Den Kfz-Betrieb an die Mitarbeitenden übergeben

Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts Innovative Instrumente zur Unterstützung der Unternehmensfortführung in ländlichen Räumen (Inno4Ufo) gingen Sophia Krebber und Laura Jungbickel von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) der Fragestellung nach, wie sich Nachfolgen im Handwerk in der Uckermark (Brandenburg) unterstützen und mit New-Work-Ansätzen und solidarischen Geschäftsmodellen verbinden lassen. Dafür begleiteten sie Handwerksbetriebe im Nachfolgeprozess, bereiteten die daraus gewonnenen Erkenntnisse wissenschaftlich auf und machten sie für die Region nutzbar.

Die Uckermark ist eine strukturschwache Region im Gebiet der ehemaligen DDR, die in der Zeit nach dem Mauerfall in Mitleidenschaft gezogen wurde. Genossenschaften sind bei den Bewohner:innen eher negativ konnotiert und spielen dort nur noch im Wohnungsbau, dem Energiesektor und der Landwirtschaft eine Rolle.

Etwa 21 % der rund 5.400 in der Uckermark ansässigen Unternehmen suchen bis 2025 eine Nachfolge. Da es sich bei 97,3 % der Unternehmen um Kleinst- und Kleinbetriebe handelt, für die sich das Thema Nachfolge üblicherweise besonders schwierig gestaltet, werden voraussichtlich etwa 200 davon scheitern.

Sophia und Julia begleiteten das Team einer inhabergeführten Kfz-Werkstatt bei der Erprobung des Worker-Coop-Modells als Möglichkeit für die Unternehmensnachfolge. Das erklärte Ziel war, die Nachfolge innerhalb von drei Jahren erfolgreich durchzuführen.

Die beiden Forscherinnen bauten ihren Begleitprozess auf drei Säulen auf:

  • Zuhören: Die Sorgen, Hoffnungen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden und der Geschäftsführung werden wahrgenommen und verstanden, um Vertrauen aufzubauen.
  • Kommunizieren: Die Lebensrealitäten der Mitarbeitenden werden berücksichtigt und komplexe Sachverhalte visuell aufbereitet. Auf Buzzwords und Jargon wird weitesgehend verzichtet.
  • Expertenwissen nutzen: Um Fallstricke im Nachfolgeprozess zu vermeiden, werden an den richtigen Stellen Praxiserfahrungen eingegebracht und Expert:innen für bestimmte Teilbereiche um Unterstützung gebeten.

Schließlich fasste das Team der Kfz-Werkstatt den Entschluss, eine Genossenschaft zu gründen, die Mitgesellschafterin der GmbH werden soll, um eine schrittweise Nachfolge mit möglichst geringen Aufwendungen aus Privat- und Fremdkapital zu ermöglichen. Die in diesem Prozess gewonnen Erkenntnissen können sich wiederum andere Betriebe zunutze machen, die sich mit einer ähnlichen Nachfolgeproblematik konfrontiert sehen.




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