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Platform-Coops – die solidarische Alternative zur Gig-Economy

Digitale Plattformen im Mittelpunkt kooperativer Unternehmen




10.06.2024 – Genossenschaften spielen auch in der Plattform-Ökonomie eine zunehmend wichtige Rolle. Ela Kagel von Platform Cooperatives Germany sprach im Community-Call darüber, was Platform-Coops auszeichnet und warum sie dringend benötigt werden. Jérôme Lühr von CoopCycle und CROW Berlin stellte die größte Platform-Coop für Fahrradlogistik vor und welche Vorteile sie Kurier:innen bietet.




Ela Kagel & Jérôme Lühr


»Platform Coops sind ein Gegenentwurf zu den Monopolen der Plattform-Ökonomie.« (Ela Kagel)
»Niedriglohnlogistik bekämpfen - für eine Arbeiter*innengelenkte, lebenswerte und klimafreundliche Zukunft in der urbanen Lieferlogik.« (Jérôme Lühr)


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Was Platform-Coops ausmacht und wie sie arbeiten

Bei Platform-Coops handelt es sich um kooperativ arbeitende Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen über eine Website, eine mobile Anwendung oder ein digitales Protokoll anbieten. Die Stakeholder sind dabei im Gegensatz zu denen der regulären Gig-Economy heterogen und können Beschäftigte, Produzent:innen und Konsument:innen umfassen. Das wirkt sich wiederum auf die Eigentumsverhältnisse und die Unternehmensführung aus. Platform-Coops sind somit eine progressive Alternative zu den Monopolen der heutigen Plattform-Ökonomie.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Genossenschaften sprechen Platform-Coops ein weltweites Publikum an. Die Organisation um eine standortunabhängige digitale Plattform herum macht die Entwicklung von Franchise-Systemen möglich, die das Arbeiten über unterschiedliche Rechtsräume und Währungen hinweg erleichtern.

Das bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich, und so mussten die noch jungen Platform-Coops in den letzten Jahren einige harte Lektionen lernen. Besonders die langfristige Finanzierung stellt häufig ein Problem dar, da sich Platform-Coops im Gegensatz zu Unternehmen wie Lieferando und Uber nicht auf Finanzspritzen von Investoren verlassen können.

Dabei sind solidarische Alternativen zu den Plattform-Monopolen wichtiger denn je: 2022 gab es allein in der EU 28,3 Millionen Beschäftigte in der Gig-Economy – in etwa so viele wie in der herstellenden Industrie. Bis 2025 wird ein weiterer Anstieg um 52 % prognostiziert.

Die meisten Gig-Worker sind jung, männlich, haben einen postsekundären Abschluss und betreiben die Plattformarbeit als zweite Einkommensquelle neben ihrer regulären Arbeit. Die meisten von ihnen arbeiten in den Bereichen Taxi (39 %), Lieferdienste (24 %) und häusliche Dienstleistungen (19 %) – zu fragwürdigen Bedingungen: 55 % verdienen weniger als den stündlichen Nettomindestlohn. Zudem fällt im Durchschnitt 41 % ihrer Arbeitszeit für unbezahlte Tätigkeiten wie Recherche und das Warten auf Aufträge an.

Eine Antwort auf diesen Missstand fanden französische Lieferfahrer:innen mit der Gründung von CoopCycle.




CoopCycle – genossenschaftlich organisierte Fahrradkurier:innen in aller Welt

Als 2016 die "Nuit debout"-Bewegung in Frankreich Wellen schlug, mobilisierte sie auch die Gig-Worker von Lieferdienst-Plattformen wie Deliveroo und Foodora, die im Jahr zuvor in den französischen Städten an den Start gegangen waren. Als Reaktion auf die Einsicht, dass die Gig-Economy so schnell nicht wieder verschwinden würde, wurde CoopCycle als solidarische Alternative für Fahrradkurier:innen ins Leben gerufen.

Das Konzept bewährte sich und drang schnell bis in die abgelegensten Orte Frankreichs sowie andere europäische Länder vor. Auch in Südamerika erwies sich CoopCycle als Erfolg. In Deutschland gehört CROW Berlin, ein Kollektiv aus ehemaligen Deliveroo-Kurier:innen, zu den Mitgliedern der CoopCycle-Genossenschaft.

Mit dem quelloffenen Code von CoopCycle können Mitglieder ihre eigene Website und App für Essensbestellungen einrichten und die Kommunikation mit Restaurants und Kurier:innen organisieren. Auch die Auslieferung anderer Waren deckt die Dispo-Plattform inzwischen ab.

Dazu gibt es gebündeltes Wissen für Gründer:innen, die das Franchise-Modell an ihrem Standort umsetzen möchten. Um Gründungen zu erleichtern, erhalten Mitglieder auf Wunsch kostenlose Analyse- und Beratungsleistungen und haben die Möglichkeit, an Workshops und Schulungen teilzunehmen.

In Zukunft möchte CoopCycle weitere logistische Bereiche abdecken und die Plattform entsprechend weiterentwickeln. Auch bei Aufgaben wie der Buchhaltung sollen Mitglieder mehr Unterstützung erhalten. Langfristig plant CoopCycle, als Dachverband für Platform-Coops im Bereich Logistik und Fahrrad zu agieren, und strebt die Umwandlung in eine SCIC (Société Cooperative d'Intérêt Collectif) an. Um finanzielle Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollten die Kosten der Genossenschaften schon bald vollständig durch Mitgliedsbeiträge gedeckt werden.




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