Wachstumskapital von Impact-Investor:innen für Genossenschaften
Mit Mezzanine-Kapital als gemeinwohlorientiertes Unternehmen nachhaltig wachsen
10.10.2024 – Impact-Investing in Genossenschaften ist derzeit noch eine Seltenheit. Dabei lässt sich mit sinnvoll ausgestalteten Finanzierungsrunden eine enorme Wirkung erzielen.
Markus Freiburg, CEO und Gründer von FASE, und Felix Schäfer, Vorstand und Gründer der Bürgerwerke eG, erläuterten im Community-Call, welche Besonderheiten Impact-Investing mit sich bringt und was Genossenschaften beachten sollten, um erfolgreich Wachstumskapital einzuwerben.
»Impact-Investor:innen können Genossenschaften „echtes Risikokapital“ zur Verfügung stellen, damit diese ihre gesellschaftliche Wirkung erfolgreich skalieren können.« (Markus Freiburg, FASE)
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Die Rolle des Impact-Investing für gemeinwohlorientierte Unternehmen
Mit Impact-Investing soll nicht nur eine finanzielle Rendite, sondern auch eine messbare gesellschaftliche Wirkung erzielt werden. Effektive Impact-Investments sollten daher vor allem drei Kriterien erfüllen:
- Intentionalität: Die beabsichtigte Wirkung ist bereits im Voraus festgelegt.
- Messbarkeit: Die Wirkung lässt sich mittels KPIs messen.
- Additionalität: Ohne das Investment würde die Wirkung nicht eintreten.
Der Finanzierungsbedarf von Impact-orientierten Unternehmen ist jedoch in den frühen Phasen oft zu riskant für Investor:innen. Daher ist der Einsatz von innovativen Finanzierungsmodellen und Blended-Finance-Ansätzen sinnvoll, um etwa durch öffentliche und philanthropische Geldgeber das Transaktionsrisiko zu mindern und die zu erwartende Rendite zu erhöhen.
Mit dieser Herangehensweise konnten die Finanzberater:innen von FASE bereits über 85 Millionen Euro für Impact-Unternehmen in verschiedenen Sektoren mobilisieren. Auch die Bürgerwerke eG begleitete das FASE-Team bei zwei Finanzierungsrunden zum Einwerben von Wachstumskapital.
Wie Genossenschaften Wachstumskapital einwerben
Als die Bürgerwerke eG – ein Zusammenschluss von Bürgerenergie-Genossenschaften – 2019 erstmals die Gewinnschwelle erreichte, entschieden sich die Gesellschafter:innen dazu, weiterhin am Wachstum der Genossenschaft zu arbeiten und dafür Finanzierungsmittel zu beschaffen. Mit diesen sollte unter anderem ein neuer Geschäftsbereich für die Projektentwicklung von Bürgersolarparks aufgebaut werden.
In den letzten 10 Jahren hat die Bürgerwerke eG rund 15 Millionen Euro Wachstumskapital eingeworben, das sich wie folgt zusammensetzt:
- 5 % Darlehen von Banken
- 38 % Anleihen von Crowd-Investor:innen
- 13 % Mezzanine-Kapital von Impact-Investor:innen
- 45 % Geschäftsanteile und Nachrangdarlehen der Mitgliedergenossenschaften
Aufgrund der Besonderheiten der Rechtsform Genossenschaft empfiehlt es sich, im Austausch mit Impact-Investor:innen wie folgt vorzugehen:
- Die Wirkung der eigenen Genossenschaft erklären und wie man diese mit Kapital verstärken will
- Die begrenzten Mitbestimmungsmöglichkeiten von Investor:innen in einer Genossenschaft kommunizieren und erläutern, warum kein Exit-Modell existiert
- Sicherstellen, dass die gezeichneten Anteile der Genossenschaftsmitglieder ein ausreichendes Eigenkapital für die Darlehenssicherheit bilden
- Finanzierungsmittel wie Mezzanine-Kapital wählen, die als wirtschaftliches Eigenkapital die eigene Bonität erhöhen
- Darauf achten, dass die mit den Investor:innen vereinbarten Informations- und Zustimmungsrechte nicht die genossenschaftliche Governance aushebeln
- Damit rechnen, dass eventuell eine höhere Verzinsung als üblich notwendig sein wird, da das Exit-Modell fehlt
Auf diese Weise lassen sich auch Impact-Investor:innen, die mit Genossenschaften bislang wenige Berührungspunkte hatten, von deren wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Wirkung überzeugen.
Finanzierung durch Genussrechte und Nachrangdarlehen
Die erste Finanzierungsrunde starteten die Bürgerwerke eG und FASE im Jahr 2015 und zur Ausgabe von Genussrechten.
Aufgrund des erhöhten Risikos in der Anfangsphase boten sie den Investor:innen neben einer erfolgsunabhängigen Vergütung in Form einer Festverzinsung der Genussrechte auch eine Umsatzbeteiligung durch erhöhte Zinsen bei Erreichen bestimmter Umsatzziele an. Die Zustimmungsrechte der Investor:innen waren dabei rückblickend zu großzügig ausgestaltet, was jedoch in der Praxis keine Probleme nach sich zog.
Bei der zweiten Finanzierungsrunde im Jahr 2023 setzten die Bürgerwerke und FASE auf Nachrangdarlehen.
Für die Darlehen erhielten die Investor:innen diesmal eine feste Verzinsung und konnten zwischen Laufzeiten von 5 und 7 Jahren wählen. Zustimmungsrechte gewährte die Genossenschaft nur noch für grundlegende Änderungen am Geschäftsmodell. Rund ein Dutzend Investor:innen – darunter Stiftungen, Impact-Fonds und Business Angels – beteiligten sich mit meist sechsstelligen Beträgen an der Zukunft der Bürgerwerke.
Einen tiefergehenden Einblick in die Finanzierungsrunden gibt die Erfolgsstudie Bürgerwerke eG auf der Website von FASE.
Erkenntnisse aus den Finanzierungsrunden
Genossenschaften, die ebenfalls Wachstumskapital von Impact-Investor:innen einsammeln möchten, gibt die Bürgerwerke eG folgende Ratschläge mit auf den Weg:
- Gerade zu Beginn sollte man einen Kapitalpuffer einplanen und die Finanzierungsziele eher hoch ansetzen.
- Von der Erstellung der Unterlagen bis zur Einzahlung der Mittel vergehen in der Regel mindestens 6 bis 9 Monate, weswegen man zudem ausreichend Zeit einplanen sollte.
- Auch auf ausreichende Kapazitäten sollte man unbedingt achten. Den meisten Aufwand macht dabei die Vorbereitung der Unterlagen.
- Um Investitionen zu gewinnen, ist eine solide Finanzplanung essenziell.
- Genossenschaften sind für die meisten Impact-Investor:innen zwar erklärungsbedürftig, aber durchaus erklärbar.
- Den Aufsichtsrat sollte man bei der Festlegung der Konditionen und der Auswahl der Investor:innen frühzeitig einbinden.
- Die Zustimmungsrechte der Investor:innen gestaltet man am besten so aus, dass sie nur selten anfallen.
- Externes Wachstumskapitel ist wichtig, doch das durch die Mitglieder gestellte bilanzielle Eigenkapital ist noch wichtiger.
- Auch Genossenschaften ist es möglich, Wachstumskapital in siebenstelliger Höhe einzuwerben.
Fragen aus der Community
Sind endfällige Darlehen eine Möglichkeit, um die Liquidität der Genossenschaft in der Wachstumsphase zu schonen?
Ja, so haben es auch die Bürgerwerke gehandhabt.
Welche Rolle spielt die Skalierbarkeit, vor allem da Genossenschaften meist eher lokal tätig sind?
Wirkungsorientierte Investoren wollen in Skalierung investieren. Es gibt aber auch Kommunen und Städte, die investieren wollen. Der regionale Faktor begrenzt die Auswahl an Investor:innen, da die meisten von ihnen sich eine regionale Wirkung wünschen.
Wird das Mezzanine-Kapital als Eigenkapital bilanziert?
Nachrangdarlehen und Genussrechte können als wirtschaftliches Eigenkapital anerkannt werden – Voraussetzung dafür sind der Nachrang und mindestens 5 Jahre Laufzeit. In der Bilanz stehen sie aber handelsrechtlich auf der Fremdkapital-Seite.
Inwiefern war die Zahlung bei der zweiten Finanzierung schon getilgt?
In den letzten 10 Jahren haben die Bürgerwerke schon teilweise getilgt.
Inwieweit mussten die Mezzanine-Geber der ersten Runde bei der zweiten Runde zustimmen?
Zustimmungspflichtig ist die Aufnahme weiteren Kapitals. Für die größeren nächsten Runden wurden Zustimmungen eingeholt. Zustimmungen gelten allerdings nicht für Kapital von Mitgliedsgenossenschaften. Typisch für Impact-Investor:innen sind Informations- und Kontrollrechte.
Braucht es Anpassungen der Satzung?
Nein, das geht mit Standardsatzung. Es ergibt in jedem Fall Sinn, investierende Mitglieder zuzulassen.
Kann man Rückzahlungen auch mit Genossenschaftsanteilen vergüten?
Da Investor:innen das Kapital zurückbekommen wollen, sind Anteile für sie nicht attraktiv.
Mit wie vielen Investor:innen sollte man im Voraus sprechen?
Man sollte in etwa doppelt so viele Gespräche einkalkulieren wie Investor:innen benötigt werden.