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Digitaler Beitritt mit qualifizierter elektronischer Signatur

Erfahrungen aus der Praxis




16.03.2023 – Einige Genossenschaften ermöglichen Neumitgliedern inzwischen den digitalen Beitritt, indem sie die sogenannte qualifizierte elektronische Signatur (QES) anbieten. Dass sich dieser Umweg jedoch nicht als permanente Lösung eignet, konnten uns Katharina Weinberg von der Prokon eG und Alicja Möltner von der smart eG aus eigener Erfahrung berichten.




Katharina Weinberg


»Bei Prokon ist ein vollständig digitaler Beitritt möglich, aber noch sehr zeitintensiv. Durch den Wechsel der Anforderung einer qualifizierten Signatur zur einfachen oder fortgeschrittenen Signatur könnte der Beitritt deutlich beschleunigt werden.«


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Einige Genossenschaften ermöglichen Neumitgliedern inzwischen den digitalen Beitritt, indem sie die sogenannte qualifizierte elektronische Signatur (QES) anbieten. Dass sich dieser Umweg jedoch nicht als permanente Lösung eignet, konnten uns Katharina Weinberg von der Prokon eG und Alicja Möltner von der smart eG aus eigener Erfahrung berichten.

Hohe Abbruchraten bei qualifizierter elektronischer Signatur

Mit 40.000 Mitgliedern ist die PROKON Regenerative Energien eG die größte Energiegenossenschaft Deutschlands. Sie betreibt Wind- und PV-Parks, handelt mit Ökostrom und -Gas und ist seit Kurzem auch in Wasserstoff- und Biomethan-Projekte involviert.

Neumitglieder füllten ihren Antrag lange Zeit auf Papier aus und sendeten ihn per Post an die Genossenschaft – so wie es das deutsche Genossenschaftsgesetz derzeit noch vorsieht. Dieser verstaubte Prozess hatte jedoch eine Abbruchrate von ca. 40 % zur Folge. Vor allem junge Menschen, die oft keinen Drucker besitzen und ohnehin an vollständig digitale Abläufe gewöhnt sind, schreckt der Postweg ab.

Die Prokon eG prüfte daher gemeinsam mit einem Genossenschaftsverband, welche Art der elektronischen Unterschrift die rechtlichen Vorgaben des Genossenschaftsgesetzes erfüllte. Das ernüchternde Ergebnis: Nur die sehr aufwendige “qualifizierte elektronische Signatur”, die mit einer Identitätsprüfung z. B. über einen Videoanruf einhergeht, eignet sich dafür.

Mithilfe eines externen Dienstleisters bietet die Prokon eG nun die QES als Alternative zum papierbasierten Prozess an. Leider brechen 72 % derjenigen, die sich für die digitale Variante entscheiden, den Vorgang ab. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass die Identifizierung bis zu 45 Minuten in Anspruch nehmen kann.

Neumitglieder sparen also kaum Zeit, der Genossenschaft entstehen jedoch zusätzliche Kosten. Die einfache oder fortgeschrittene elektronische Signatur als rechtlich geeignete Alternative zur QES zuzulassen, würde hier Abhilfe schaffen – die Europäische Genossenschaft (SCE) macht es vor.




Alicja Möltner


»Wir wollen als Sozialunternehmen skalieren und dafür als Genossenschaft für neue Mitglieder einfach zugänglich sein. Jetzt auch digital.«


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Das “Smart”-Portal: Mitgliederservices digital abbilden

Bei der SMartDE eG handelt es sich um den deutschen Ableger der 2003 in Belgien gegründeten Smart-Genossenschaft, die inzwischen 100.000 Mitglieder in ganz Europa zählt. Ihr Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen von Solo-Selbstständigen und Kollektiven zu verbessern. Dazu stellt Smart seine Mitglieder für deren Projekte bei der Genossenschaft an und kombiniert damit Freiheit mit Sicherheit. Finanziell ermöglicht wird das dadurch, dass 9 % der Mitglieder-Umsätze in die eG fließen.

Smart möchte seinen Mitgliedern zukünftig alle Dienstleistungen auch digital anbieten und hat daher gemeinsam mit der österreichischen Schwestergenossenschaft in die Entwicklung eines Smart-Portals investiert. Ende 2023 soll es an den Start gehen und nicht nur den digitalen Beitritt ermöglichen, sondern auch Zugriff auf einen Community-Bereich, Geschäftsberichte und Abstimmungsmöglichkeiten bieten. Zudem werden Mitglieder online Aufträge und Rechnungen verschicken, ihr Budget verwalten, ihr Anstellungsverhältnis und dazugehörige Dokumente verwalten sowie sich ihre Betriebs- und Reisekosten erstatten lassen können.

Beim digitalen Beitritt identifiziert auch Smart die qualifizierte elektronische Signatur als größten Problempunkt. Dass die Mitglieder der Genossenschaft aus allen Ecken der Welt kommen, verursacht beispielsweise Probleme bei der Identifizierung, wenn ein deutscher Personalausweis fehlt. Auch stehen die dadurch verursachten Kosten nicht im Verhältnis zum bewusst niedrig angesetzten Genossenschaftsanteil, der beim Eintritt gezeichnet werden muss.

So sieht sich Smart derzeit noch auf eine Zwischenlösung angewiesen: Neumitglieder tragen ihre Daten in einem Online-Formular ein, sodass diese frühzeitig in die Mitgliederdatenbank übertragen werden können. Den Antrag selbst müssen sie jedoch anschließend postalisch einschicken.

Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber in naher Zukunft eine weniger aufwändige Alternative zur QES zulässt. Die Entwicklung von digitalen Portalen verschlingt viel Geld und Fördermöglichkeiten gibt es leider kaum.