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Praxistipps für neu gegründete Genossenschaften




Aufgrund ihrer demokratischen Struktur und des gesetzlich verankerten Förderzwecks unterscheidet sich der Arbeitsalltag in einer Genossenschaft von dem in anderen Unternehmensformen. Du musst das Rad deswegen jedoch nicht neu erfinden, sondern kannst von den Erfahrungswerten anderer genossenschaftlicher Unternehmer:innen lernen. Im Folgenden möchten wir dir einige nützliche Praxistipps mit auf den Weg geben.

Community-Building: Mitglieder aktivieren

Eine erfolgreiche Genossenschaft lebt von aktiven Mitgliedern. Daher ist es nützlich, den Mitgliedern vor und nach dem Beitritt die Vorteile des kooperativen Wirtschaftens näherzubringen und sie aktiv in den Aufbau der Genossenschaft einzubeziehen.

Positives Storytelling ist eine effektive Möglichkeit, Interessierten Lust auf den Beitritt zu machen. Hierfür eignen sich besonders soziale Medien wie Instagram und LinkedIn, aber auch der klassische Newsletter. Dabei geht es darum, den bereits geschaffenen oder zukünftig zu erwartenden positiven Impact zu veranschaulichen, die Vorteile für die Beteiligten hervorzuheben und dies möglichst mit Zahlen zu untermauern.

Beim Onboarding neuer Mitglieder ist es wichtig, dass du die Grundlagen der Genossenschaft verständlich vermittelst und einen direkten Kontakt zu Ansprechpartner:innen ermöglichst. Um den Austausch von Mitgliedern untereinander zu vereinfachen, lohnen sich regelmäßige Treffen und Kommunikationsplattformen wie Mattermost, Slack, Rocket Chat oder Mailing-Listen. Diese erfordern jedoch eine entsprechende Moderation.

Über (Online-)Workshops lässt sich den Mitgliedern zusätzliches Wissen vermitteln, während virtuelle Entscheidungsplattformen wie adhocracy+ die effektive gemeinsame Entscheidungsfindung auch außerhalb von Generalversammlungen fördern.

Gerade bei Dachgenossenschaften (Genossenschaften, deren Mitglieder ebenfalls Genossenschaften sind) ergeben sich zudem große Potenziale für die Freisetzung von Synergien unter den Mitgliedern. Sie können sich beispielsweise gegenseitig Dienstleistungen zu vergünstigten Konditionen anbieten oder in Workshops Expertenwissen austauschen.

Digitaler Beitritt

Um potenzielle Mitglieder nicht durch einen altmodischen Beitrittsprozess abzuschrecken, solltest du Möglichkeiten für einen digitalen Beitritt schaffen. Bis dieser im deutschen Genossenschaftsgesetz verankert ist (aktuell in Arbeit), sind dafür leider Umwege nötig.

Ein digitales Äquivalent zur derzeit noch vorgeschriebenen Schriftform ist die qualifizierte elektronische Signatur (QES). Hierbei findet die Identitätsprüfung beispielsweise über einen Videoanruf statt. Deine Genossenschaft kann diese Methode über Dienstleister anbieten, allerdings ist das vergleichsweise teuer und erfahrungsgemäß mit hohen Abbruchraten verbunden.

Um den papierbasierten Beitrittsprozess zumindest teilweise zu digitalisieren, eignen sich entsprechende Hybridlösungen. Empfehlenswert ist etwa, die Mitgliedsdaten über ein Online-Formular zu erfassen und damit die Beitrittserklärung vorauszufüllen. Wenn du es zukünftigen Mitgliedern in spe noch einfacher machen möchtest, kannst du ihnen diese in einem vorfrankierten Umschlag zukommen lassen.

Partizipation fördern: Formate für die Generalversammlung

Als wichtigstes Organ einer jeden Genossenschaft ist die Generalversammlung essentiell für die Verwirklichung des Demokratieanspruchs dieser Unternehmensform. Umso wichtiger ist es, dass du den Mitgliedern eine Teilnahme unabhängig von deren Lebensumständen ermöglichst.

Seit 2022 können auch deutsche Genossenschaften ihren Mitgliedern Alternativen zur herkömmlichen Präsenzveranstaltung anbieten. Es gibt hier drei Ansätze:

  • Virtuelle Versammlung: Die Generalversammlung findet vollständig im digitalen Raum statt, weswegen auch alle Prozesse digital abgebildet werden müssen.
  • Hybride Versammlung: Die Generalversammlung findet in Präsenz statt, wobei Mitglieder sich auch virtuell hinzuschalten können. Dabei muss sichergestellt sein, dass beide Gruppen ihre Rechte gleichermaßen effektiv ausüben können.
  • Gestrecktes Verfahren: Die Generalversammlung findet nicht in Echtzeit statt. Stattdessen wird ihr Ablauf über einen längeren Zeitraum gestreckt. Es gibt feste Fristen, innerhalb derer die Mitglieder Anträge einreichen, diskutieren und über sie abstimmen können.

Besonders das gestreckte Verfahren führt häufig zu einer intensiveren Diskussionsphase, da den Mitgliedern mehr Zeit für die Einarbeitung in die jeweilige Thematik zur Verfügung steht. Allen drei Ansätzen ist gemein, dass sie einer größeren Anzahl von Mitgliedern die Beteiligung ermöglichen.

Damit das Ergebnis der Generalversammlung im Nachhinein nicht angefochten werden kann, solltest du unabhängig vom gewählten Format folgende Reihenfolge einhalten:

  1. Informationsphase
  2. Diskussionsphasse
  3. Beschlussphase
    1. Antragsphase
    2. Abstimmungsphase
    3. Verkündungsphase

Auch das Protokoll ist ein essentieller Bestandteil der Generalversammlung. Die dafür vorgesehenen Pflichtangaben regelt das Genossenschaftsgesetz und auch dafür erhältst du in der Regel Muster von deinem Verband.

Kooperation mit anderen Genossenschaften

Nicht nur intern leben Genossenschaften von der gemeinschaftlichen Zusammenarbeit – auch aus dem Austausch mit anderen Genossenschaften ergeben sich vielerlei Vorteile.

Es lohnt sich daher, die Augen nach Organisationen und Initiativen offenzuhalten, die Kooperativen miteinander vernetzen und Synergien freisetzen. Der Austausch von Wissen ist dabei von zentraler Bedeutung. Wer frühzeitig von den Fallstricken einer genossenschaftlichen Unternehmung erfährt, kann diese Fehler im eigenen Projekt vermeiden. Zudem kann es hilfreich sein, einen Einblick in andere Branchen und Genossenschaftsformen zu bekommen.

Auch gemeinsame Projekte können äußerst bereichernd für alle Beteiligten sein. Durch das Bündeln von Ressourcen lassen sich das Leistungsangebot erweitern, neue Absatzkanäle erschließen und die eigene Verhandlungsposition am Markt stärken.