Die Gestaltungsmöglichkeiten in der Finanzierung einer Genossenschaft
Jede Genossenschaft wird einmalig bei der Gründung sowie anschließend alle zwei Jahre oder (ab einer Bilanzsumme von 2 Millionen Euro) jährlich von einem genossenschaftlichen Prüfungsverband auf ihre wirtschaftliche Stabilität und ordnungsgemäße Geschäftsführung geprüft. Im Gegenzug erhalten Genossenschaften durch die regelmäßige Wirtschaftsprüfung Privilegien in der Finanzierung, die andere Rechtsformen nicht haben. Diese speziellen Gestaltungsmöglichkeiten in der Finanzierung von Genossenschaften solltest du bei der Entwicklung deines Geschäfts- und Finanzierungsmodells berücksichtigen.
Auf klassische Finanzierungsmöglichkeiten, die allen Unternehmen und damit auch Genossenschaften zur Verfügung stehen (wie Bankdarlehen mit banküblicher Besicherung, stille Beteiligungen, Genussrechte sowie Inhaber- und Orderschuldverschreibungen) gehen wir hier nicht ein.
Mitglieder- vs. Nicht-Mitglieder-Geschäftsmodell
Im Sinne des zentralen Genossenschaftsprinzips der Mitgliederförderung steht zu Beginn der Gründung einer Genossenschaft immer die Frage nach den Mitgliedern: Wer sind die Mitglieder der Genossenschaft und wie werden diese gefördert? Ebenso stellt sich aus Perspektive des Geschäftsmodells die Frage nach den Kund:innen der Genossenschaft, die diese mit dem Kauf von deren Produkten oder Dienstleistungen finanzieren: Wer sind die Kund:innen der Genossenschaft und in welchem Verhältnis stehen sie zur Genossenschaft? Müssen oder dürfen die Kund:innen Mitglieder der Genossenschaft sein?
Je nach Genossenschaftstyp (siehe "Vier Typen und Porträts innovativer Genossenschaften") und Geschäftsmodell fallen die Antworten darauf unterschiedlich aus. Wichtig zu wissen ist, dass Genossenschaften sowohl mit Mitgliedern als auch mit Nicht-Mitgliedern Geschäfte machen dürfen. Dies kann die Genossenschaft in ihrer Satzung frei regeln. Das Mitgliedergeschäft bezieht sich auf die Geschäftsaktivitäten, die ausschließlich den Mitgliedern der Genossenschaft zugutekommen, sei es durch den Verkauf von Produkten oder von Dienstleistungen an Mitglieder. Im Gegensatz dazu umfasst das Nicht-Mitglieder-Geschäft Transaktionen mit Personen oder Organisationen, die keine Mitglieder der Genossenschaft sind. Die Genossenschaft ist davon geprägt, dass die Mitglieder sowohl Mitträger der genossenschaftlichen Willensbildung, Geldgeber durch Einzahlungen auf die Geschäftsanteile als auch Geschäftspartner der Genossenschaft sind. Es ist daher wichtig, dass Genossenschaften sicherstellen, dass das Mitgliedergeschäft Vorrang hat und die Mitglieder von den Aktivitäten der Genossenschaft profitieren. Gleichzeitig können Nicht-Mitglieder-Geschäfte zusätzliche Einnahmequellen erschließen, aber sie sollten nicht die primäre Ausrichtung der Genossenschaft sein – außer, es handelt sich um eine Worker-Coop, deren Mitglieder ausschließlich die Mitarbeitenden sind und somit das Nicht-Mitglieder-Geschäft im Sinne der Mitglieder deren Beschäftigung ist.
Besonderheit beim Mitglieder-Geschäftsmodell: Die genossenschaftliche Rückvergütung
Die genossenschaftliche Rückvergütung ermöglicht der Genossenschaft, den Überschuss, den sie während eines Wirtschaftsjahres aus Mitgliedergeschäften erzielt hat, nachträglich an die Mitglieder zu verteilen und dies als Betriebsausgabe steuerlich geltend zu machen. Hierdurch wird der zu versteuernde Jahresüberschuss gemindert und die wirtschaftliche Attraktivität der Genossenschaft für die Mitglieder erhöht. Die Ermittlung der genossenschaftlichen Rückvergütung erfolgt in der Regel anteilmäßig in Bezug auf die mit dem jeweiligen Mitglied im Geschäftsjahr getätigten Umsätze. Das fördert und bindet die Mitglieder und erhöht die Attraktivität der Mitgliedschaft in der Genossenschaft. Je nach Typ deiner Genossenschaft ist die erhaltene Rückvergütung aber gegebenenfalls vom Mitglied zu versteuern.
Finanzierung durch Geschäftsanteile, Eintrittsgeld und Beiträge der Mitglieder
Geschäftsanteile der nutzenden und investierenden Mitglieder
Mitglieder einer Genossenschaft können entweder nutzende oder investierende Mitglieder sein. Nutzende Mitglieder sind diejenigen, die die Dienstleistungen oder Produkte der Genossenschaft in Anspruch nehmen und Stimmrechte in der Generalversammlung haben. Investierende Mitglieder wiederum nutzen die Leistungen der Genossenschaft nicht, sondern sind Investor:innen mit ihren Geschäftsanteilen. In der Satzung kann ihr Stimmrecht auf der Generalversammlung ausgeschlossen werden. Beide Arten von Mitgliedschaften können je nach Geschäfts- und Finanzierungsmodell sowie gewünschter Stimmrechtsverteilung für deine Genossenschaft förderlich sein.
Eintrittsgeld der Genossenschaftsmitglieder
Beim Beitritt in eine Genossenschaft kann ein Eintrittsgeld von den Mitgliedern erhoben werden, das zusätzlich zu den Geschäftsanteilen (Eigenkapital) zur Finanzierung der Genossenschaft beitragen kann. Das Eintrittsgeld ist weder Betriebseinnahme noch zahlt es auf das Geschäftsguthaben des Mitglieds ein. Stattdessen ist es der genossenschaftlichen Sphäre zuzurechnen und als Kapitalrücklage zu bilanzieren. Das Eintrittsgeld ist steuerfrei, wenn es aufgrund einer Satzungsbestimmung erhoben wird. Das Mitglied erhält das Eintrittsgeld beim Ausscheiden aus der Genossenschaft nicht zurück, es sei denn, die Satzung sieht etwas anderes vor. Ob es ein Eintrittsgeld in deiner Genossenschaft gibt und wie hoch dieses ist, machst du am besten abhängig von deinem Geschäftsmodell. Aus der Perspektive potenzieller Mitglieder bedeutet ein Eintrittsgeld eine Gebühr für den Beitritt zur Genossenschaft. In der Satzung deiner Genossenschaft kannst du ein Eintrittsgeld sowie dessen Höhe gestalten.
Mitgliedsbeiträge der Genossenschaftsmitglieder
Analog zur einmaligen Aufnahmegebühr (Eintrittsgeld) kann eine Genossenschaft auch eine regelmäßige Gebühr, sogenannte Mitgliedsbeiträge, von den Genossenschaftsmitgliedern zur Finanzierung der Genossenschaft erheben. Die Mitgliedsbeiträge sind weder Betriebseinnahmen noch zahlen sie auf das Geschäftsguthaben des Mitglieds ein. Stattdessen sind sie der genossenschaftlichen Sphäre zuzurechnen und als Kapitalrücklage zu bilanzieren. Die Mitgliedsbeiträge sind steuerfrei, wenn sie aufgrund einer Satzungsbestimmung erhoben werden. Ob Mitgliedsbeiträge in deiner Genossenschaft sinnvoll sind und wie hoch diese sein sollten, machst du am besten abhängig von deinem Geschäftsmodell. Aus der Perspektive potenzieller Mitglieder bedeuten Mitgliedsbeiträge eine zusätzliche Gebühr für die Mitgliedschaft, es sei denn, um diesen Betrag reduzieren sich die Preise für die Leistungen, die das Mitglied von der Genossenschaft bezieht oder beziehen muss, um Mitglied zu sein (siehe "Mitglieder- vs. Nicht-Mitglieder-Geschäftsmodell"). In der Satzung deiner Genossenschaft kannst du den Mitgliedsbeitrag sowie dessen Höhe gestalten.
Kündigungsfrist der Geschäftsanteile
Mitglieder einer Genossenschaft haben das Recht, ihre Geschäftsanteile zu kündigen. Die Kündigungsfrist wird ebenfalls in der Satzung deiner Genossenschaft definiert und kann zwischen drei Monaten und fünf Jahren zum Ende eines Geschäftsjahres betragen. Je länger die Kündigungsfrist, desto mehr Sicherheit hat die Genossenschaft bezüglich ihres Eigenkapitals und damit auch bessere Möglichkeiten für Fremdfinanzierungen, denn auch für Kreditinstitute ist die Kündigungsfrist von zentraler Bedeutung in der Kreditvergabe. Andersherum ist eine Mitgliedschaft umso attraktiver, je kürzer die Kündigungsfrist ist. Grundsätzlich gilt: Je langfristiger die Investitionen sind, desto länger sollte auch die Kündigungsfrist sein. Auch an dieser Stelle ist daher dein Geschäfts- und Finanzierungsmodell von zentraler Bedeutung für die Ausgestaltung der Kündigungsfrist in der Satzung.
Praxisbeispiel “einjährige Kündigungsfrist zum Jahresende”: Mitglied A kündigt am 19.02.2024 zum frühestmöglichen Termin, dem 31.12.2025 (ein Jahr zum Jahresende) und erhält nach Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2025 durch die Generalversammlung im Sommer 2026 sein Geschäftsguthaben (Auseinandersetzungsguthaben) zurück.
Praxistipp: Basiert das Geschäftsmodell deiner Genossenschaft auf Fremdfinanzierung, solltest du frühzeitig mit den Kreditgebern sprechen, welche Anforderungen sie an die Kündigungsfrist haben bzw. wie mögliche Kündigungsfristen die Kreditkonditionen für deine Genossenschaft beeinflussen.
Eigenkapitalschutz in der Satzung verankern (Mindestkapital-Klausel)
Um die Finanzierung deiner Genossenschaft abzusichern, kannst du neben einer Kündigungsfrist eine Regelung zur Sicherung eines Kapitalgrundstocks in deine Satzung aufnehmen. Die sogenannte Mindestkapital-Klausel stellt sicher, dass stets eine bestimmte Summe von Geschäftsguthaben (Eigenkapital) in der Genossenschaft verbleibt und im Falle zahlreicher Kündigungen von Geschäftsanteilen das entsprechende Geschäftsguthaben nicht sofort an die Mitglieder ausgezahlt werden darf. Dies trägt zur Zahlungsfähigkeit der Genossenschaft bei und macht auch eine Fremdfinanzierung attraktiver. Ob und in welcher Höhe du ein Mindestkapital in der Satzung deiner Genossenschaft definieren solltest, ist abhängig vom Geschäfts- und Finanzierungsmodell deiner Genossenschaft. Ein Mindestkapital muss nicht als absolute Größe festgesetzt werden, sondern kann auch prozentual bemessen sein, beispielsweise 90 % der Geschäftsguthaben zum vorangegangenen Geschäftsjahresende.
Dividende für die Geschäftsanteile
Gewinne einer Genossenschaft können als Dividende an die Mitglieder ausgeschüttet werden. Je nach Geschäftsmodell kann das ein Anreiz sein, mehr Mitglieder und Geschäftsanteile und damit mehr Eigenkapital zu gewinnen. Die Auszahlung von Gewinnen als Dividende an die Mitglieder einer Genossenschaft erfolgt auf Grundlage der Geschäftsguthaben. Die Satzung kann einen festen Zinssatz festlegen oder die Entscheidung über die Höhe des Zinssatzes einem Organ der Genossenschaft übertragen (z. B. nur dem Vorstand oder dem Vorstand mit Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats). Dann muss jedoch zumindest ein Mindestzinssatz in der Satzung angegeben sein. Mit der Auszahlung von Dividenden geht ein erheblicher bürokratischer Aufwand für die Genossenschaft einher, da sie sowohl die Abgeltungs- als auch Kirchensteuer auf die Dividenden einbehalten und somit entsprechende Daten erfassen und verarbeiten muss. Überlege dir daher besonders gut, ob du als kleine Genossenschaft überhaupt Dividenden versprechen musst, um genügend Kapital und Mitglieder gewinnen zu können. Was sollte die Motivation der Menschen und/oder Firmen sein, die Mitglied in deiner Genossenschaft werden wollen? Auch ist zu berücksichtigen, dass Zinszahlungen nicht den steuerpflichtigen Gewinn der Genossenschaft mindern.
Crowdinvesting für Genossenschaftsanteile
Digitale Schwarmfinanzierung mit Crowdinvesting trägt den Kern des Genossenschaftsgedankens “Was eine:r alleine nicht schafft, das schaffen viele” in das Zeitalter digitaler Finanzierungsinstrumente. Genossenschaften können über ihre eigene Website und digitale Kanäle Crowdinvesting-Kampagnen gänzlich frei gestalten, hingegen ist die Nutzung von professionellen Crowdinvesting-Plattformen bislang stark eingeschränkt. Aufgrund eines Provisionsverbots für den Vertrieb von Genossenschaftsanteilen können Genossenschaften über professionelle Crowdinvesting-Plattformen nur bis zu 100.000 € an Genossenschaftsanteilen pro Jahr einwerben. Die Vorteile von gut organisierten und authentisch kommunizierten Crowdinvesting-Kampagnen, egal ob auf der eigenen Website oder auf einer professionellen Crowdinvesting-Plattform, sind neben der Gewinnung neuer Mitglieder und Genossenschaftskapitals mehr Bekanntheit, Reichweite und mediale Aufmerksamkeit für die Genossenschaft. Das ist insbesondere für das Geschäftsmodell von Community- und Platform-Coops interessant. Erfolgreiche Beispiele für Crowdinvesting-Kampagnen sind folgende, wobei diese primär Reward-Based Crowdfundings (Spende gegen Dankeschön) gemacht haben aber auch Eigenkapital (Genossenschaftsanteile) eingeworben haben:
Mitglieder-Darlehen
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Öffentliche Förderprogramme für Genossenschaften
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